KWG-Clearing

Abstract

Jedes Kind und jeder Jugendliche hat einen Anspruch auf eine gewaltfreie und entwicklungsfördernde Erziehung (§1631 Abs 2 BGB; §1 Abs. 1 SGB VIII). Einer Risikoeinschätzung kommt also in den zuständigen Sozialen Diensten ein hoher Stellenwert zu, um den rechtlichen Anspruch des Kindes auf Schutz seines Wohles sicherzustellen. Das Kindeswohlgefährdungs-Clearing (kurz: KWG-Clearing), wie quergedacht es anbietet, ist eine Beurteilung von Gefährdungsrisiken für ein Kind oder einen Jugendlichen und sollte sowohl in akuter als auch in zukünftiger Hinsicht zu einer Einschätzung kommen, ob eine Gefährdung für das Kind bzw. den Jugendlichen vorliegt.

Finanzielle und rechtliche Grundlagen

Zur Risikoeinschätzung findet sich die rechtliche Grundlage insbesondere im §8a SGB VIII. Dieser benennt die notwendigen und durchzuführenden Schritte bei dem Vorliegen von „gewichtige[n] Anhaltspunkte[n]“ für eine Kindeswohlgefährdung. Das Vorhandensein dieser dient somit als Grundvoraussetzung und Pflicht zur Risikoeinschätzung. Außerdem wird nach der Gesetzesgrundlage in §1666 BGB „aus einer Gefahr für die Entwicklung eines Kindes erst dann eine Kindeswohlgefährdung, die ein Eingreifen von außen rechtfertigt, wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr selbst zu beseitigen“ (Gerber, 2011, S. 306). Demnach ist bei einem KWG-Clearing zu prüfen, ob die Eltern kooperationsfähig sind. Finanziert wird die Hilfe nach §27 SGB VIII. Die Maßnahme des KWG-Clearings wird durch quergedacht von mindestens zwei Beratern durchgeführt. Ein Stundenumfang von insgesamt mindestens 100 Fachleistungsstunden wird für den Maßnahmenzeitraum von drei Monaten benötigt.

Zielgruppen

Als Zielgruppen sehen wir alle Familien und Systeme, in denen es Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung gibt.

Ziele

Ziel ist eine Beurteilung von Gefährdungsrisiken hinsichtlich „Art, Erheblichkeit und Wahrscheinlichkeit von Schädigungen für das Kind“ oder den Jugendlichen mit dem Ziel entscheiden zu können, ob eine Gefährdung für das Kind bzw. den Jugendlichen vorliegt oder nicht und damit, ob ein Tätigwerden des ASD notwendig ist (Schone, 2015; Alle, 2017).

Hilfe-/Auftragsplanung

Ein Viertel der vereinbarten Stunden wird für Intervisionen und die Berichterstellung genutzt. Eine Risikoeinschätzung erfordert eine präzise Erfassung, Bearbeitung und ein Verstehen des Falls, weswegen wir großen Wert auf einen regelmäßigen Austausch der Berater untereinander und Fallbesprechungen mit dem Fallkoordinator sowie dem Teamkollegium legen. Dreiviertel der Stunden werden zur Datenerhebung verwendet, welche die im nächsten Abschnitt aufgeführten Komponenten beinhaltet.

Angebotsstruktur

quergedacht arbeitet mit einer mehrdimensionalen Risikoeinschätzung. Es finden verschiedene Gespräche beziehungsweise Kontakte zur Kernfamilie in deren Haushalt statt. Einzelne Gespräche können auch in den Räumlichkeiten von quergedacht geführt werden, soweit dies erforderlich ist. Des Weiteren wird mit Institutionen wie z.B. Schulen oder Kindergärten und weiteren für die Familie wichtigen Kontaktpersonen gesprochen, welche einen Bezug zu den Kindern oder Jugendlichen haben. Unsere Berater sind geschult in diagnostischen Methoden und können sich demnach neben ihrer beruflichen – jedoch subjektiven – Einschätzung auch auf objektive Datenerhebungen stützen. Ebenfalls kann eine insoweit erfahrene Fachkraft bei quergedacht zur Einschätzung hinzugezogen werden. Inhalte der Termine sind die biographische Datenerhebung der Kindeseltern, der Entwicklungsverlauf des Kindes und weitere kindbezogene Variablen. Außerdem erfolgt die Datenerhebung mittels diagnostischer Fragebögen sowohl für Eltern als auch Kind. Einige Beispiele verwendeter Diagnostische Instrumente sind:

  • EBF-KJ (Elternbeziehung aus Kindersicht): ab 10 Jahre
  • FIT (Selbst – und Fremdidentifikation): ab dem Grundschulalter
  • SKEI (Beziehungswahrnehmung des Kindes): von vier bis sieben Jahren
  • EBSK (Elternbelastungsscreening zur Kindeswohlgefährdung) Teilstrukturierte Interaktionsbeobachtungen werden ergänzend eingesetzt (angelehnt an die Heidelberger Marschak-Interaktionsmethode).

Die Berater werden zu einer konkreten Beschreibung der Lebenslage der Familie und den darin lebenden Kindern gelangen. Hier soll erörtert werden, welche Gegebenheiten das Kindeswohl in welchem Ausmaß beeinflussen. Es gilt verschiedene Indikatoren zur Lebenslage zu untersuchen, welche im Wechselspiel miteinander agieren und sich auf die Familiensituation auswirken. Der Fokus der Berater richtet sich dabei auch auf die materiell-finanzielle Situation, die Wohnsituation sowie das Umfeld und die sozialen Beziehungen der Familie. Ziel ist es, während der Maßnahme zu einer Einschätzung der Bindungen und Beziehungsqualitäten innerhalb der Familie und der elterlichen Kompetenzen zu gelangen. Unabdingbar ist die Einschätzung der Kooperationsfähigkeit der Kindeseltern. Dazu ist zunächst in Gesprächen die Problemeinsicht der Kindeseltern sowie ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu Veränderungen zu beurteilen.
Eine Offenheit der Erziehungspersonen gegenüber der Unterstützung von außen und eine Mitwirkung zur Verbesserung der Situation ist dabei eine wichtige Voraussetzung. Unsere Berater wenden vertrauensaufbauende Maßnahmen im Sinne eines sensiblen und empathischen Zugangs zur Problemlage sowie einer transparenten Vorgehensweise an. In der Regel sind es mehrere sich bedingende Faktoren in einer Familie, die das Wohl des Kindes oder Jugendlichen gefährden. Schutz- und Risikofaktoren werden im Abschlussbericht in übersichtlicher Form einander gegenübergestellt. Abschließend werden die Berater, auch im Hinblick auf die zu erwartenden Entwicklungen mit und ohne Annahme von Hilfemaßnahmen, zu einer Einschätzung und Empfehlung kommen. Der Bericht positioniert sich sowohl zu der Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung besteht, wie auch zu der beobachteten Kooperationsbereitschaft der Eltern im Falle einer Gefährdung. Wenn keine Gefährdung vorliegt, wird eine Einschätzung formuliert, ob dennoch Hilfebedarf besteht.

quergedacht sieht vor, konkrete Empfehlungen bei einem Hilfebedarf auszusprechen. Zudem wird der Familie durch die Berater das Ergebnis der Risikoeinschätzung in einem abschließenden Gespräch begründet dargelegt und darüber hinaus eine Exemplar des Berichts ausgehändigt.

Literaturnachweis

  • Alle, F. (2017). Kindeswohlgefährdung: Das Praxishandbuch (3. Aufl.). Freiburg: Lambertus.
  • Gerber, C. (2011). Kinderschutz – von der Checkliste zur persönlichen Fall- und Prozessverantwortung. In G. Deegener und W. Körner: Erfassung von Kindeswohlgefährdung in Theorie und Praxis (S. 297 –327). Lengerich: Pabst Science Publishers.
  • Schone, R. (2015). Kinderschutz in Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe (S. 50–77). Weinheim: Beltz Juventa.

Stand: 01.10.2020

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